Meereswellen sind für langperiodische Schwingungen verantwortlich

by HORST RADEMACHER

 

Auch wenn gerade einmal keine Erdbeben die Erde erschüttern, ist die Erdkruste keineswegs still und ruhig. Straßen- und Schienenverkehr, schwere Baufahrzeuge, aber auch die Generatoren in Kraftwerken und schwere Maschinen in Fabriken erzeugen eine stete Bodenunruhe, welche die Erdoberfläche ununterbrochen leicht vibrieren läßt. Der Mensch spürt diese ungleichmäßigen Schwingungen nur in den seltensten Fällen, sie werden aber von Seismometern aufgezeichnet. Neben den von Menschen und Maschinen erzeugten Störungen läßt auch die Natur selbst die Erdkruste nicht zur Ruhe kommen. So führen Wind und Gewitter lokal zu leichten Schwingungen, und wenn Ozeanwellen auf den Kontinentalschelf prallen, entstehen Vibrationen mit Perioden von fünf bis zehn Sekunden. Bei noch tieferen Frequenzen beginnt die Erde sogar kontinuierlich zu "brummen". Forscher in Kalifornien sind jetzt den Ursachen dieser tiefen, unhörbaren Vibrationen auf die Spur gekommen.

Schon vor Jahren hatten Wissenschaftler entdeckt, daß die Erde auch an seismisch ruhigen Tagen bei Perioden zwischen vier und fünf Minuten praktisch ohne Unterlaß schwingt. Dies ist nur in den Aufzeichnungen besonders empfindlicher Seismometer zu sehen, die weit entfernt von den Quellen der von Menschen erzeugten Bodenunruhe aufgestellt sind. Eine dieser Erdbebenstationen befindet sich in einem vor Jahrzehnten aufgegebenen Silberbergwerk bei Schiltach im Schwarzwald. Mitarbeiter der Erdbebenwarte fanden schon vor fast zehn Jahren, daß das Brummen stärker wird, wenn Stürme über Mitteleuropa hinwegziehen.

Anhand der Aufzeichnungen von zwei Seismometernetzen - einem an der amerikanischen Westküste und einem anderen in Japan - haben Barbara Romanowicz und Junkee Rhie von der University of California in Berkeley die Veränderungen der Intensität des Brummens bei Perioden von etwa vier Minuten über mehr als ein Jahr untersucht. Wie sie jetzt in der Zeitschrift "Nature" (Bd. 431, S. 552) schreiben, ist der Brummton während der Wintermonate auf der Nordhalbkugel dann besonders ausgeprägt, wenn im Nordpazifik schwere Stürme toben. Während der Sommermonate - also im Südwinter - nimmt der Brummton zu, wenn im Südatlantik und im südlichen Indischen Ozean das Wetter außergewöhnlich schlecht und der Seegang besonders hoch ist. Die beiden Seismologen schließen daraus, daß der Brummton der Erde durch besonders tiefreichende Meereswellen erzeugt wird, deren Druckvariationen den Meeresboden zum Schwingen anregen. Diese Schwingungen breiten sich als Wellen durch die gesamte Erde aus.

Das Ergebnis wird durch Modellrechnungen und Beobachtungen unterstützt, über die Toshiro Tanimoto von der University of California in Santa Barbara demnächst im "Geophysical Journal International" berichten wird. Nach seinen Berechnungen reicht die Energie von sehr langperiodischen Meereswellen aus, die gesamte Erde zum Schwingen zu bringen. Bei einem Vergleich der jeweiligen Intensität mit den vom Satelliten Topex-Poseidon gemessenen Höhen langperiodischer Meereswellen stellte Tanimoto zusätzlich fest, daß sich beide Größen im gleichen Rhythmus verändern. Auch das legt den Schluß nahe, daß starke Meereswellen die Ursachen für das Brummen der Erde sind.

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